Ich bin ein großer Fan von Johannes Itten. Der Schweizer Maler und Lehrer des Bauhauses befasste sich intensiv mit der Wirkung von Farben. Dabei entdeckte er sieben Farbkontraste, die er als grundlegende Elemente der Farbgestaltung ansah. Das ist nicht nur für Maler interessant. Auch Du kannst diese sieben Kontraste nutzen, um Deine Fotos interessanter und ausdrucksstärker zu gestalten.
Doch der Reihe nach. Als Grundwerkzeug der Farbgestaltung entwickelte Itten den Farbkreis. Er zeigt die Beziehungen zwischen Farben und kann verwendet werden, um harmonische Farbkombinationen zu finden und Farbkontraste wie den Komplementärkontrast zu erzeugen. In der Fotografie kann der Farbkreis verwendet werden, um die Wirkung von Farben auf die Stimmung eines Bildes zu verstehen und gezielt einzusetzen.

Bild: Originally by MalteAhrens at de.wikipedia. Vectorization by User:SidShakal, Farbkreis Itten 1961, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons
Kommen wir zu den sieben Farbkontrasten, die man am besten mit dem Farbkreis versteht:
- Farbe-an-sich-Kontrast
- Hell-Dunkel-Kontrast
- Komplementärkontrast
- Der Kalt-Warm-Kontrast
- Der Qualitätskontrast
- Quantitätskontrast
- Simultankontrast
Der Farbe-an-sich-Kontrast
Beginnen wir mit dem eine freudige Stimmung erzeugenden Farbe-an-sich-Kontrast. Er ist relativ leicht umzusetzen, da hier die Buntheit im Vordergrund steht. Wenn Du ein Motiv findest, bei dem mindestens zwei Farben in möglichst reiner Form vorkommen, hast Du schon alles, was Du brauchst. Den einfachsten, stärksten und wichtigsten Kontrast bilden die Farben Rot, Gelb, Blau und Grün.

Der Hell-Dunkel-Kontrast
Der Hell-Dunkel-Kontrast entsteht, wenn helle und dunkle Farben nebeneinander liegen. Damit kannst Du ein bestimmtes Objekt hervorzuheben, indem es heller als der Hintergrund dargestellt wird.

Der Komplementärkontrast
Auch den Komplementärkontrast nutze ich gerne. Vorzugsweise bei winterlichen Fotoprojekten hier bei mir zu Hause. Wenn draußen alles grau ist, macht es einfach Spaß, mit knalligen Farben zu spielen. Der Komplementärkontrast bezieht sich auf die Verwendung von Farben, die sich gegenüber auf dem Farbkreis (siehe oben) befinden. Dieser Kontrast kann verwendet werden, um eine starke visuelle Spannung zu erzeugen und die Aufmerksamkeit des Betrachters auf bestimmte Elemente im Foto zu lenken. Er kann auch verwendet werden, um Farben in einem Foto zu verstärken oder zu betonen.

Der Kalt-Warm-Kontrast
Der Kalt-Warm-Kontrast in der Fotografie bezieht sich auf die Verwendung von Farben, die entweder einen kühlen oder warmen Eindruck vermitteln. Farben wie Blau, Grün und Lila werden oft als kühl empfunden, während Farben wie Orange, Rot und Gelb als warm empfunden werden. Auch diesen Kontrast kannst Du nutzen, um die Stimmung eines Fotos zu beeinflussen und die Aufmerksamkeit auf bestimmte Elemente zu lenken. Ein kühles Foto kann zum Beispiel eine distanzierte Atmosphäre vermitteln, während ein warmes Foto eine einladende Atmosphäre vermitteln kann.

Der Qualitätskontrast
Der Qualitätskontrast wird auch Intensitäts– oder Bunt-zu-Unbunt-Kontrast genannt. Er entsteht, wenn reine, bunte, leuchtende Farben auf flaue oder getrübte Farben treffen. Dabei kommt es zu einem starken Kontrast in der Farbintensität. Das kannst Du nutzen, um bestimmte Teile Deines Motivs stark hervorzuheben. EIn Rapsfeld unter norddeutsch-grauem Himmel bringt Farbe ins Leben.

Der Quantitätskontrast
Wie der Name Quantitätskontrast schon vermuten lässt, geht es bei diesem Kontrast um die Verwendung von Farben in unterschiedlichen Mengen oder Intensitäten. Das kannst Du nutzen, um die Größe und die Anordnung von Objekten im Foto hervorzuheben, indem großflächige Elemente mit punktuellen Elementen kontrastiert werden. Ein Beispiel für den Quantitätskontrast bei Farben ist die Verwendung von hellen Farben für kleinere Objekte und dunkleren Farben für größere Objekte, um die Größenverhältnisse hervorzuheben.

Der Simultankontrast
Der Simultan-Kontrast bezieht sich auf die Art und Weise, wie Farben von benachbarten Farben beeinflusst werden. So kann die gleiche Farbe bei unterschiedlicher Hintergrundfarbe ganz anders wirken.

Der Simultankontrast kann verwendet werden, um die Farben im Foto zu verstärken, indem man Farben in der Nähe von kontrastierenden Farben platziert. Ein Beispiel für den Simultan-Kontrast ist die Verwendung von gelben Farben neben blauen Farben, die dazu führen, dass die gelben Farben heller und kräftiger erscheinen. Das lässt sich hier bei uns in Schleswig-Holstein ganz schön zur Zeit der Rapsblüte einsetzen. Dieser Kontrast kann genutzt werden, um die Farben im Foto aufregender und lebendiger erscheinen zu lassen.
Mein Fazit
Bei aller Theorie ist es jedoch wichtig zu beachten, dass die Wirkung von Farben auf die Psyche in verschiedenen Kulturen, aber auch ganz individuell unterschiedlich. So sind etwa acht bis neun Prozent der Männer, aber nur etwa ein Prozent der Frauen von Farbfehlsichtigkeiten betroffen. Wie sie Deine Bilder sehen, kannst Du hier testen. Daher kannst und solltest Du natürlich auch kulturelle und persönliche Präferenzen bei der Verwendung von Farben in der Fotografie berücksichtigen. Insgesamt sind die sieben Farbkontraste von Johannes Itten meiner Meinung nach trotzdem ein wertvolles Werkzeug für Fotografen, mit dem wir unsere Bilder interessanter und ausdrucksstärker machen können. Was hältst Du davon? Probier es einfach mal aus und berichte mir von Deinen Erfahrungen.